Bahn-Express

Horst Ebert: Erz aus Schweden: Nora Bergslags Järnväg

BE 2/89/ Der Eisenbahnfreund denkt zunächst sicher an die Erzvorkommen in Lappland, bekannt durch die Erzbahn Kiruna-Narvik, über die 12 Mio. t Eisenerz pro Jahr ausgeführt werden. Schon seit dem 14. Jahrhundert wurde aber Eisenerz weiter südlich im sogenannten "Bergslagen", westlich von Stockholm, abgebaut und verarbeitet. Der Bergslagen ist die Wiege der schwedischen Industrie überhaupt und bot die materiellen Grundlagen für die schwedische Großmacht während des 17. und frühen 18. Jahrhunderts. Die einzelnen Lagerstätten sind oft sehr klein, und größtenteils lohnt der Abbau heute nicht mehr. Die größten Lagerstätten befinden sich bei Grängesberg im südlichen Dalarna, von wo das Erz seit 1876 über Oxelösund ausgeführt wird. Zu diesem Zweck verkehrte auch die heute verstaatlichte Privatbahn Trafik AB Grängesberg-Oxelösunds Järnvägar (TGOJ). Der Erztransport war auch die wirtschaftliche Grundlage der Privatbahn Nora Bergslags Järnväg (NBJ), um die es hier gehen soll.

1830 gab es im gesamten Bergslagen ungefähr 600 kleine Eisen- und Stahlwerke. Später verloren Holzkohle und (direkt genutzte) Wasserkraft gegenüber Koks und Elektrizität als Energieträger für die Verarbeitung an Bedeutung, stattdessen bekam eine gute Verkehrslage mehr Gewicht. In Schweden selbst wird heute nur noch hochwertiger Qualitätsstahl hergestellt, während billiges Eisen importiert wird.

Entstehung und Entwicklung der Eisenbahnen in Nora Bergslagen

Mitte des 19. Jahrhunderts wurden die Transporte von Erz, Roheisen, Kohle und Lebensmitteln von und zu den zahlreichen Bergwerken und Hütten (schwed.: bruk) mit Pferdefuhrwerken der Bauern abgewickelt, die sich ihre Leistungen reichlich bezahlen ließen. Dies führte 1842 zu ersten Kanalbauplänen, die jedoch an zu hohen Kosten scheiterten. 1849 folgten Pläne zum Bau einer Pferdebahn, und 1851 wurde dann die Nora-Örebro Järnvägs Aktiebolag zum Bau einer lokbetriebenen Bahn gegründet. Im selben Jahr projektierte die Köping-Hults Järnväg (KHJ) die Strecke Köping-Örebro, an die daraufhin die Strecke von Nora in Ervalla angeschlossen werden sollte. Die Strecke Nora-Ervalla war Schwedens erste Normalspurstrecke für den öffentlichen Verkehr. Sie wurde am 05.03.1856 eingeweiht, während die Staatsbahnen (SJ) erst am 01.12.1856 ihre ersten Strecken Malmö-Lund und Göteborg-Jonsered eröffneten.

In den folgenden Jahrzehnten wurden zur Erzabfuhr aus Nora Bergslagen weitere, auch schmalspurige (802 mm), Eisenbahnstrecken verschiedener weiterer Gesellschaften gebaut. Damit gab es schließlich zwei parallele Verkehrswege zum See Vänern. Dies führte zwangsläufig zu finanziellen Schwierigkeiten, so daß schließlich 1905 alle Bahnen in die Hand der neu gegründeten Nora-Bergslags Järnvägsaktiebolag (NBJ) gelangten. Bis 1907 wurde der größte Teil der Schmalspurstrecken stillgelegt (der letzte Rest Dalskarlsberg-Vikersvik-Lerdalen folgte erst 1953). Als Normalspurstrecken verblieben drei von Nora ausgehende Strecken nach Ervalla, Bredsjö und zum Hafen Otterbäcken am Vänern. Diese Strecken erfuhren eine grundlegende Erneuerung, auch neue Fahrzeuge wurden beschafft. Dies führte zu leichten, schließlich auch wachsenden Gewinnen der NBJ.

Bis 1918 kaufte der Göteborger Reedereikonzern Broström alle Aktien der NBJ, der vor allem an dem bahneigenen Schiffahrtsbetrieb (bestand bis 1953) und dem Hafen Otterbäcken interessiert war. Ab 1926 setzte die NBJ zur Stückgutverteilung Lastkraftwagen ein, 1928 begann der Busverkehr. Damit wurde die NBJ in den 20er und 30er Jahren zu einem modernen Verkehrsbetrieb mit schweren, noch dampfgeführten Güterzügen, modernen Bussen und Lastkraftwagen (aha, damals schon !) und Otterbäcken als modernstem Hafen am Vänern. Schließlich begann 1936 auch die Verdieselung der Bahn, fast ausschließlich mit High-Tech-Triebfahrzeugen aus Kiel.

Zum hundertjährigen Jubiläum im Jahre 1956 sah die Zukunft noch gut aus. Die kleinen Hütten und Erzgruben verschwanden zwar nach und nach, aber die Schwerindustrien in den größeren Industrieorten konnten als sichere Güterkunden angesehen werden. Der Personenverkehr auf der Schiene hatte dagegen nie eine große Bedeutung, da die Streckenführung nicht den Verkehrsströmen des Personenverkehrs entsprach, er wurde aber dennoch rationell mit schwedischen Triebwagen (mit DWK-Motoren!) und auf der Straße betrieben. Der schienengebundene Personenverkehr sank zwischen 1956 und 1962 um 50 % und wurde 1966 ganz eingestellt. Wirklich lohnend war Mitte der 60er Jahre nur der Wagenladungsverkehr mit 7-800 000 Tonnen pro Jahr, die je zur Hälfte über die SJ und den Hafen Otterbäcken liefen. Der Erzverkehr, zuletzt etwa 200 000 Tonnen pro Jahr, ging 1967 verloren. Dies wurde aber teilweise durch Öltransporte kompensiert, auch die Transporte von Zellstoffkochern (Papierindustrie) und Reaktorbehältern (da strahlt der Eisenbahnfreund !) brachten bedeutende Einkünfte.

Das Ende: Stillegung und Verstaatlichung

Trotz vieler, teils recht umfangreicher Rationalisierungsmaßnahmen verschlechterte sich die wirtschaftliche Lage durch viele Faktoren: erhöhte Betriebskosten durch die Ölkrise, erhöhte Wagenmieten der SJ, der schwere Winter 1977 mit vielen Ausfällen und anschließenden Überschwemmungen. Schäden an der Strecke nach Bredsjö wurden danach gar nicht mehr ausgebessert. Der zuletzt noch befahrene Abschnitt wurde, ebenso wie die Strecke nach Ervalla, 1979 stillgelegt. Zu den gestiegenen Kosten kam die Krise der Bergslag-Industrien, die 1975 zu einem Absinken des Verkehrs um 12 % und noch einmal 15 % in den ersten vier Monaten des Jahres 1976 führte. Durch Verkäufe der nicht direkt zu Bahn und Hafen gehörenden Betriebszweige (Bus- und Speditionsbetrieb, Reisebüro) und der beiden modernsten Loks hielt sich die NBJ über Wasser.

Der Reedereikonzern war nicht an der Subvention einer Bahn im Binnenland interessiert. Ein Netz von 170 km mit so wenig Verkehr ließ sich nicht rationell betreiben, so daß die SJ als einzig möglicher Käufer in Frage kamen. 1977 wurde beschlossen, die Strecken Gyttorp-Ervalla und Bofors-Otterbäcken den SJ zu übereignen und den Rest stillzulegen. Die SJ dagegen war nur an einem Industrieanschlußgleis Strömtorp-Bofors und der Übernahme von nur 10 Angestellten interessiert. Als die NBJ darauf mit kurzfristiger Totalstillegung drohte, zog der Verkehrsminister den SJ-Entwurf zurück. Schließlich einigte man sich darauf, Gyttorp-Ervalla stillzulegen und stattdessen Gyttorp-Otterbäcken vollständig zu erhalten, um so das Netz nicht zu trennen. Seit 01.01.1979 war die NBJ Tochtergesellschaft der SJ. Gyttorp-Strömtorp (SJ)-Otterbäcken wurde weiterhin mit NBJ-Personal und -Fahrzeugen betrieben, zuletzt wegen Verschleiß' der NBJ-Loks mit T 21 der SJ (MaK, Typ 850 D, siehe BE 1/87 -18-).

Zum 01.01.1985 endete der eigene Bahnbetrieb der NBJ, der nun vollständig in die Staatsbahnen integriert wurde.

NBJ-Streckendaten

Strecke Länge (km) Eröffnung durch Stillegung
Nora-Ervalla 17.619 Nora-Ervalla Järnväg 1979 a)
Nora-Strömtorp 56.119 Nora-Karlskoga Järnväg ---- b)
Anschluß Pershytte 2.119 Nora-Karlskoga Järnväg 1974
Gyttorp-Striberg 6.519 Nora-Karlskoga Järnväg 1979
Strömtorp-Otterbäcken 44.419 Nora-Karlskoga Järnväg ----
Striberg-Bredsjö 41.819 NBJ 1979 c)
Bofors-Valasen 4.219 NBJ ----
Vikersvik-Dalkarlsberg 3.919 Bredsjö-Degerfors Järnväg 1953 d)
  1. wieder in Betrieb genommen durch Nora Berslags Veteran Järnväg (NBVJ)
  2. Abschnitt Nora-Gyttorp (5.0 km) 1979 stillgelegt
  3. Umspurung der 1894 von Bredsjö-Degerfors Järnväg eröffneten und 1905 durch die NBJ übernommenen 802 mm-Bahn
  4. 802 mm, nicht umgespurt

Der Bahnhof Strömtorp hieß damals Karlskoga, das heutige Karlskoga hieß Bredgardstorp.

Dieseltriebfahrzeuge der NBJ

Die Verdieselung begann 1936 mit der Beschaffung eines Traktors schwedischer Produktion für den Rangierdienst. Danach kamen dann alle Dieseltriebfahrzeuge (von den Schienenbussen allerdings nur die Motoren) von DWK bzw. später MaK: Im September 1937 wurde der erste Traktor geliefert, im Mai 1938 folgten zwei etwas leistungsfähigere und im August noch einmal zwei Loks, wiederum mit erhöhter Leistung. Zwischen Februar 1951 und Oktober 1953 wurden dann noch einmal 11 Loks geliefert, jetzt von der MaK, aber nach alten Baumustern der DWK. Diese 240 PS-Loks besaßen zwar schon neu konstruierte Motoren, aber sie waren die letzten MaK-Loks mit mechanischem Getriebe. 1964 wurden noch zwei Traktoren dieser Bauart gebraucht von den SJ erworben. Diese Traktoren konnten paarweise von einem Führerstand aus gefahren werden, wurden aber sogar in Drei- und Vierfachtraktion eingesetzt. Zu einem großen Teil gelangten diese Loks im Laufe der Jahre an Industriebetriebe der Umgebung und sind dort teilweise sogar heute noch vorhanden (vgl. BE 1/87). Ungeklärt ist allerdings der Aufenthaltsort der Lok 19.

Für den Personenverkehr hatte die NBJ 1940 und 1946 je zwei Schienenbusse beschafft, aber nur die Motoren stammten von DWK.

Die Dampfloks wurden erst von den später beschafften Großdieselloks endgültig verdrängt: Nach dem Vorbild der SJ, allerdings mit stärkerem Getriebe, beschaffte die NBJ im August 1958 zwei MaK-Loks des Typs 800 D mit den Nummern T 21 und T 22. 1961 wurden noch zwei Dieselloks schwedischer Hersteller getestet, wegen des zu hohen Gewichts dieser Loks bestellte die NBJ dann aber noch einmal zwei MaK 800 D, die im April 1963 geliefert wurden. Die T 23 wird von der Museumsbahn NBVJ erhalten, die anderen verendeten in der SJ-Werkstatt Örebro. Den Abschluß der NBJ-Fahrzeugbeschaffung bildeten dann die im Oktober 1965 und Oktober 1966 gelieferten T 25 und T 26, die natürlich wieder aus Kiel kamen, inzwischen aber vom Typ V 100 PA waren. Diese beiden Loks mußten wegen der finanzieller Nöte 1978 verkauft werden. Sie gingen jeweils zusammen mit einem Paket Knäckebrot an die Odsherreds Jernbane (OHJ) in Dänemark, die fast nur gebraucht erworbene Fahrzeuge besitzt, inzwischen diese Loks aber durch ältere, wiederum gebraucht gekaufte Loks der dänischen Staatsbahnen (DSB) ersetzt hat.

Die Werkstatt der NBJ, seit 1891 in Nora, entwickelte sich aufgrund der Zusammensetzung des NBJ-Fahrzeugparks zu dem schwedischen Spezialisten für die kleinen DWK-/MaK-Loks, so daß hier Reparaturen und Untersuchungen von Werkloks dieser Typen (nicht nur von ehemaligen NBJ-Loks), aber auch Loks anderer Hersteller stattfanden.

Literatur:

Lars Olov Karlsson, Sven Malmberg: Nora Bergslags Järnväg 125 år, gebunden, 128 S., zahlreiche Abb., DM 19.--, erhältlich über Frank Stenvalls Förlag, Föreningsgatan 67, S-211 52 Malmö

Nora Bergslags Järnväg Spur:1435 mm
Stand:.1987
#Nr.HerstellerdatenBauartTypLstg. (PS)Gew. (t)Vmax (km/h)Bem.
 1Västervik184/1936BbmR 18 W   a), neu
 2DWK628/1937Bdm150 B1502455.5b), neu
 3DWK629/1938Bdm200 B2002654c), neu
 4DWK621/1938Bdm200 B2002654d), neu
 5DWK676/1940Bdm220 B2202754e), neu
 6DWK677/1940Bdm220 B2202754f), neu
 7MaK220001/1951Bdm240 B2402854g), neu
 8MaK220002/1951Bdm240 B2402854h), neu
 9MaK220010/1953Bdm240 B2402954i), neu
 10MaK220011/1953Bdm240 B2402954j), neu
 11MaK220012/1953Bdm240 B2402954k), neu
 12MaK220013/1953Bdm240 B2402954l), neu
 13MaK220014/1953Bdm240 B2402954m), neu
 14MaK220015/1953Bdm240 B2402954n), neu
 15MaK220016/1953Bdm240 B2402954o), neu
 16MaK220017/1953Bdm240 B2402954p), neu
 17MaK220008/1953Bdm240 B2402954q), neu
 18MaK220003/1951Bdm240 B2402854r)
 19MaK220004/1951Bdm240 B2402854s)
 21MaK800119/1958Ddh800 D800 80t), neu
 22MaK800120/1958Ddh800 D800 80u), neu
 23MaK800151/1963Ddh800 D8005881v), neu
 24MaK800152/1963Ddh800 D8005881w), neu
 25MaK1000244/1965BBdhV 100 PA13006479x), neu
 25MaK1000248/1965BBdhV 100 PA13006679y), neu
  1. 1964 an Svenska Cellulosa, Wifsta varv/ 1974 verschrottet

  2. 1956 neuer Motor MaK MS 24/ 1970 an AB Svenska Salpeterverken (Kunstdünger), Köping/ 1982 verschrottet

  3. 1963 an NCB/Hissmofors AB (Papier)/ 1970 an NCB/Vallvik/ nach 1985 Verbleib unbekannt

  4. 1963 an Laxå-Röfors Järnväg (6)/ 1966 abgestellt/ 1986 noch vorhanden

  5. 1965 ab AB Iggesund Bruk (Papier)/ 1973 abgestellt/ 1976 an Arne Kring, Hudiksvall/ 1988 noch abgestellt vorhanden bei Bergmans Rör & Järn

  6. 1965 an Gränges-Nyby/Nybybruks (Stahl)/ 1974 Generalüberholung in Nora/ NCB/Vallvik/ 1982/83 an Schrottfirma in Hallstahammar, dort verschrottet

  7. 1969 an Larsson, Seaton & Co. (= Tibnor Väst), Göteborg/ 1978 nach Getriebeschaden abgestellt/ ca. 1982 verschrottet

  8. 1968 an Tuolluvaara Gruve AB (Eisenerz), Kiruna/ 1982 verschrottet

  9. 1966 an Laxå-Röfors Järnväg (7)/ 1986 noch bei Swedspån AB, Röfors, vorhanden

  10. 1978 an Tibnor Väst AB (Stahlhandel), Göteborg/ 1986 noch vorhanden

  11. 1984 an Nora Bergslags Veteran Jernväg (Museum), Nora

  12. 1981 an Odsherreds Jernbane (Privatbahn), Holbæk/Dänemark (65)/ 1986 verschrottet

  13. 1977 an Storstockholms Lokaltrafik/Saltsjöbanan (Privatbahn)(Z6 13)/ 11/86 verschrottet

  14. 1977 an Storstockholms Lokaltrafik/Saltsjöbanan (Privatbahn)(Z6 14)/ 1988 noch vorhanden

  15. 1981 an Odsherreds Jernbane (Privatbahn), Holbæk/Dänemark (64)/ 1986 verschrottet

  16. 1986 an Karlskoga Järn- & Metallindustri, Karlskoga/ 1986 noch vorhanden

  17. 1984 an Swedspån AB, Laxå/ 1986 noch vorhanden

  18. neu an SJ (Z6 274, ab 1956: Z69 274)/ 1964 an NBJ/ 1973 an Allmänna Svenska Elektriska AB (ASEA), Ludvika/ 1981 an Karlskoga Järn- & Metallindustri, Karlskoga/ 1981 an Björneborgs Jernverk, Björneborg/ 1986 noch vorhanden

  19. neu an SJ (Z6 275, ab 1956: Z69 275)/ 1964 an NBJ/ 01/85 an SJ (Dienstfahrzeugpark, nicht umgenummert)

  20. 1982 ausgemustert/ 03/86 in Örebro verschrottet

  21. 1984 ausgemustert/ 1984 noch in Örebro vorhanden

  22. 1983 ausgemustert/ 1984 an Nora Bergslags Veteran Jernväg (Museum), Nora

  23. 1983 ausgemustert/ 07/86 in Örebro verschrottet

  24. 1978 an Odsherreds Jernbane, Holbæk/Dänemark (46)/ 1987 an MaK, Moers

  25. 1978 an Odsherreds Jernbane, Holbæk/Dänemark (45)/ 1987 an MaK, Moers/ 12/88 an Rhenus AG, Berlin (3)

 


© BE 2/1989