Bahn-Express

Norddeutsche Zucker GmbH & Co. KG, 29525 Uelzen

14.04.2004-info/ rr/ Die Zuckerfabrik hatte im Herbst 1884 den Betrieb aufgenommen und in den folgenden Jahren etwa 650 t Zuckerrüben pro Tag verarbeitet. Durch Modernisierungen 1899 und 1906 konnte die Tageskapazität nahezu verdoppelt und damit die Rentabilität der Fabrik entscheidend erhöht werden. Um 1910 bereitete jedoch die Bereitstellung einer ausreichenden Menge Brauchwasser aus der Ilmenau durch das oberhalb gelegene Stauwehr immer größere Probleme, so daß die Fabrikleitung die Wasserentnahme aus der Wipperau erwog. Daraufhin pachtete die Aktien-Zuckerfabrik Uelzen im Jahre 1911 von der Domäne Oldenstadt 2 ha Wiese, um einen Stauteich anzulegen. Dieser diente gleichzeitig als Vorrats- und als Rückhaltebecken für die bei der Rübenwäsche anfallende Erde. Da diese Schlammteich-Erde regelmäßig entsorgt werden mußte, entschloß man sich zum Bau einer 600-mm-spurigen Feldbahn mit Lokomotivbetrieb. Mit dem Besitzer der Rittergutes Störtenbüttel wurde ein langfristiger Vertrag abgeschlossen, der es der Fabrik gestattete, die anfallende Schlammteich-Erde auf bestimmten Flächen des Gutes auszubringen, um diese dabei etwa auf das Niveau der Hamburger Bahn zu erhöhen.

Die Schmalspurbahn war etwa 1,4 km lang und führte vom Schlammteich der Zuckerfabrik an einem Feldweg entlang in möglichst gerader Linie bis auf das Geländes des Gutes Störtenbüttel. Infolge der vielen Wegkreuzungen trotzdem notwendige Krümmnungen wurden mit einem Mindestradius von 40 m angelegt. Für den Oberbau kamen teilweise neue, aber auch gebrauchte 14 kg/m schwere Stahlschienen von 9 m Länge und 80 mm Höhe sowie 1,2 bis 1,25 m lange imprägnierte Holzschwellen mit einem Querschnitt von 120 x 150 mm zum Einbau. Zum Abtransport der Erdmassen konnte vom Hauptgleis aus mittels 1:6-Weichen nach beiden Seiten je ein transportables Feldbahngleis verlegt werden. Diese waren fertig montiert aus 70 mm hohen und 10 kg/m schweren Schienenprofilen auf Stahlschwellen.

Für den Transport der Erdmassen standen Stahlmuldenkippwagen mit 0,75 m³ Fassungsvermögen zur Verfügung. Ein Zug bestand in der Regel aus der Lokomotive und 18 Loren. Für die Handbeladung mußten anfangs ständig neun Arbeiter vorgehalten werden, später ging man zur maschinellen Beladung mit Baggern und ähnlichem Gerät über.

Die Schmalspurbahn wurde Zeit ihres Bestehens nie zum Transport von Zuckerrüben in die Fabrik genutzt. Lediglich während des Ersten Weltkrieges kam es zu einer Nutzung als Zuckertransportbahn, als Überbestände an produziertem Rohzucker zu einem Außenlager im Neuen Felde geschafft werden mußten. Der Vertrag über die Ablagerung der Erdmassen in Störtenbüttel konnte 1956 verlängert und auf weitere Flächen ausgedehnt werden. Der Feldbahnbetrieb wurde jedoch nach 1960 „wirtschaftlichen Erwägungen“ aufgegeben und auf LKW-Transport umgestellt.

Für die Feldbahn war eine 1911 von Orenstein & Koppel gelieferte leichte Dampflokomotive mit einer Leistung von 30 PS und ein Dienstgewicht von 6,65 t vorhanden. Damit war sie auch für den Einsatz auf den transportablen Gleisen geeignet und bis zur Einstellung des Feldbahnbetriebes vorhanden. Unterstützt wurde diese Lok später durch Diema-Diesellokomotiven (wobei nicht sicher ist, dass alle drei bekannten Maschinen alle hier im Einsatz standen). Auch der normalspurige Anschluss verfügte über eigene Fahrzeuge. Anfänglich (ab 1912) eine gebraucht erworbene Dampflokomotive, ab den 1950er Jahren wurden dann auch fabrikneue Diesellokomotiven beschafft.

 


Lit.: BE 5/82, BE 2/83, BE 5/83, BE 6/83, BE 3/87, BE 4/87, BE 3/88, BE 2/92, IB 13, LR 2/94, DS 85

© Info von Reinhard Richter