Bahn-ExpressSteinbruch- und Bergwerksbahnen zwischen Osterwald und Ith

Die Kalkwerke in Salzhemmendorf und Osterwald

Weiter südlich befindet sich die Ith-Hils-Mulde, so benannt nach dem langgestreckten Höhenzug des Ith im Westen und des Hilsmassivs südlich von Duingen. Begrenzt wird das Tal im Osten durch den Thüster und den Duinger Berg.

Auf dem Limberg, einem Genossenschaftsforst unterhalb der höchsten Erhebung des Thüster Berges, des Kahnstein, wurden schon in früheren Zeiten Steine gebrochen, die aber nur behauen und zum Häuserbau sowie zur Ausbesserung der Wege verwendet wurden. Die eigentlichen Kalksteinvorkommen wurden erst in den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts mehr durch Zufall entdeckt. Damals befaßten sich mehrere Einwohner aus Salzhemmendorf - unter ihnen auch der spätere Gründer der Kalk- und Ziegelwerke Conrad Biermann - mit Alchemie. Oft kamen diese Leute an den Abenden zusammen und sprachen dann über das Goldmachen. Um den Stein der Weisen zu finden, wurde die nähere und weitere Umgebung nach den verschiedensten Erd- und Gesteinsproben abgesucht, mit denen Biermann in seiner Küche experimentierte. Bei einem dieser ergebnislosen Experimente zeigte sich aber, daß die am Limberg vorgefundenen Steine einen guten Kalk hergaben. Biermann, von Beruf Maurermeister, erkannte die Qualität des Kalkes sofort. Er schickte seine Leute zu der besagten Stelle, ließ dort weitere Steine losschlagen und wiederholte das Experiment.

Die Entdeckung blieb nicht ohne Folgen. Schon bald tauschte Biermann mit dem Stellmacher Klages ein Grundstück aus und errichtete im Jahre 1846 einen Kalkofen für Versuchszwecke. Nach weiteren erfolgreichen Versuchen wurden 1848 auf der Gemeindewiese zwei sogenannte Kasseler Öfen gebaut, die jeweils rund 500 Zentner Kalksteine fassen konnten.

Ein Brennvorgang dauerte 3 bis 4 Tage; die erforderliche Kohle wurde aus Brüninghausen und Osterwald bezogen. Der kohlensaure Kalk CaO3 wurde in den Kalköfen auf 900 bis 1400 Grad C erhitzt. Dabei entwich die Kohlensäure CO2, und es blieb der gebrannte Kalk, CaO, Calciumoxyd, zurück. Durch das Brennen verlor der Kalkstein fast die Hälfte seines Gewichts.

Vorerst war der Absatz des Kalkes noch gering. Bevor ein Ofen angesteckt werden konnte, mußte nach Absatzmöglichkeiten gesucht werden. Danach wurde der Kalk nach Zubern oder Scheffeln verkauft. Die Nachfrage nach Fettkalk stieg in den kommenden Jahren derart an, daß bis 1878 etwa 24 Kalköfen entstanden, die von mehreren Salzhemmendorfer Einwohnern betrieben wurden.

Bald kamen auch auswärtige Bestellungen. Mit Pferdefuhrwerken wurde der Kalk zur Hannoverschen Südbahn nach Elze befördert. Von hier aus gingen die ersten Bahnsendungen nach Nienburg, Bremen und Oldenburg. Bevor die Eisenbahnverbindung Bremen-Oldenburg fertiggestellt war, mußte der Kalk im Winter über die zugefrorene Weser in das oldenburgische Absatzgebiet geschafft werden. Nach Inbetriebnahme der Eisenbahn Löhne-Hameln-Elze fanden die Verladungen ab 1875 auf dem näher gelegenen Bahnhof Voldagsen statt.

Ein Güterwagen konnte 25 Fässer, also zusammen 100 Zentner Kalk aufnehmen. Bei der großen Nachfrage nach Kalk waren in Salzhemmendorf 40 Personen nur mit der Herstellung von Fässern beschäftigt.

In den 80er Jahren kam das Ende der kleinen Kalköfen. Die Besitzer gaben auf, weil sie gegen die modernen Ringöfen nicht konkurrieren konnten. Den ersten Ringofen in der näheren Umgebung baute 1886 die Firma Friedrich Rogge in Marienhagen. Auf Einladung Rogges besichtigte Conrad Biermann den Ringofen. Da ein derartiger Brennvorgang große Vorteile bot, beschlossen Conrad Biermann und seine Partner Carl Schatte und Georg Keese, einen Ringofen zu bauen, der 600 Zentner Steine pro Tag fassen konnte. Sie kauften unterhalb des Fleckens an der Landstraße nach Hemmendorf am 15.01.1889 ein 4 1/2 Morgen großes Grundstück und ließen durch die Firma Menscheid & Jenicke, Dortmund, einen Ringofen bauen.

Als 1896 die erste Teilstrecke der Kleinbahn Voldagsen-Duingen bis Salzhemmendorf in Betrieb war, erhielten die dortigen Kalkwerke ihre Anschlußgleise. Da nun die Produktion stieg, nahm Biermann im selben Jahr einen zweiten Kalkofen in Betrieb. Nun gelangten über die Kleinbahn jährlich bis zu 25.000 t Kalk zum Versand. Damals begann Biermann auch mit der Produktion von Ziegelsteinen, um in absatzschwachen Zeiten des Kalkes (Hochsommer und Herbst) einen finanziellen Ausgleich zu erzielen.

Das zweite große Unternehmen waren die Vereinigten Osterwald-Salzhemmendorfer Kalkwerke (VOSKA). Die Kalksteinvorkommen "In den großen Teilen" am Limberg nutzte seit Mitte der 70er Jahre der Fabrikant F. Kuhlemann aus Hannover, der damals einige Parzellen erwarb. Die ersten sogenannten Pottöfen standen damals noch unterhalb des Steinbruches. Wegen der großen Nachfrage nach Salzhemmendorfer Kalk entschloß sich Kuhlemann zum Bau von Kammeröfen unterhalb des Fleckens.

Da auch das Kalkwerk Alves & Co. beim Bahnhof Osterwald an derselben Stelle bedeutende Flächen erworben hatte, standen beide Firmen vor der unerfreulichen Tatsache, daß die Kalksteinbeförderung nur dann stattfinden konnte, wenn die Abfuhr über das Gelände des Konkurrenten erfolgte. Dank der Einsicht der Inhaber beider Firmen wurde im Jahre 1896 der Zusammenschluß beider Werke zu den Vereinigten Osterwald-Salzhemmendorfer Kalkwerken vollzogen.

Nach den 2. Weltkrieg machte sich die Konkurrenz größerer Betriebe - besonders jener aus dem Rheinland - stark bemerkbar. 1951 produzierten die Kalk- und Ziegelwerke nur noch 13.000 t Kalk, was nur 40 % der Gesamtkapazität entsprach. Das Werk fusionierte zwar 1956 mit den VOSKA-Kalkwerken, aber auch durch diese Maßnahme ließ sich das Ende nicht abwenden. Die Kalkproduktion hätte nur dann wirtschaftlich fortgesetzt werden können, wenn man eine moderne Schachtofenanlage errichtet hätte, für die aber das Geld fehlte. Aus Rationalisierungsgründen im Rahmen des Verbandes der norddeutschen Kalkindustrie wurden 1958 von 20 Kalkwerken in Niedersachsen 9 Betriebe stillgelegt, darunter die Werke von Salzhemmendorf, Osterwald und Springe. Die beiden erstgenannten Betriebe wurden zum 01.01.1958 liquidiert.

 

Zwei frühe Salzhemmendorfer Bremsbahnen

Schon mehrere Jahre vor den Transportbahnen der Kalkwerke hatten bereits zwei Kalkofenbesitzer in Salzhemmendorf Bremsbahnen abgelegt, die von den Steinbrüchen herunter zu den Kalkofenstandplätzen am Limberg führten. Eine dieser Bahnen wurde vom Kalkofenbesitzer Kellermann angelegt. Ihr Verlauf ist heute nicht mehr feststellbar. Vermutlich war sie ein Teilstück der späteren Kuhlemannschen Bremsbahn. Darauf deutet die Lage eines Kalkofens nahe der späteren Kuhlemannschen Bahn hin.

Die zweite Bahn, die damals die wichtigste war, wurde vom Kalkofenbesitzer C. Benger gebaut. Ihre Lage geht noch aus einer alten Karte hervor, wonach sie sich unweit der späteren Bremsbahn der Kalk- und Ziegelwerke befand. Sie wurde gegen eine Gebühr auch von den Kalkofenbesitzern Eickhoff, Friedrich Schlinz, Friedrich Schmidt und Conrad Biermann mitbenutzt. Diese Bremsbahn muß noch bis kurz nach der Jahrhundertwende bestanden haben.

 


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