Bahn-Express

Chemiepark Premnitz - Märkische Viskose GmbH, 14727 Premnitz

ehem. Vereinigte Köln-Rottweiler Pulverfabriken AG, Pulverfabrik Premnitz
ab 1918 Köln-Rottweil AG, Werk Premnitz
ab 1926 IG Farben AG, Werk Premnitz
ab 1948 VEB Chemiefaserwerk "Friedrich Engels" Premnitz (CFP)
ab 1991 Märkische Faser AG (MFAG)

28.12.2003-info/ rr/ 1904 erhielt das Fischerdorf Premnitz durch den Bau der Brandenburgischen Städtebahn Anschluß an das Eisenbahnnetz. Anfang 1915 wählte die Vereinigten Köln-Rottweiler Pulverfabriken AG Premnitz als Standort für eine weitere Fabrik aus, die in nur einjähriger Bauzeit aus dem Boden gestampft wurde. Gefördert durch das Hindenburg-Programm erweiterte man die Planungen bereits während der Bauphase. Wie in allen Pulverfabriken kamen auch hier feuerlose Dampflokomotiven zum Einsatz. Die Brandenburgische Städtebahn wurde aus Sicherheitsgründen neu trassiert, wobei die heutige, mitten durch die Stadt führende Strecke mit ihren vier Schrankenanlagen entstand. Die alte Trasse baute man als Anschlußbahn der Pulverfabrik aus.

Vor allem zum Bezug von Rohstoffen und Kohle sollte auch ein Hafen angelegt werden. Er entstand dort, wo heute der Kinderspielplatz ist und war mit einem elektrischen Portalkran und einem zusätzlichen Dampfkran ausgestattet. Da die Kreuzung der Hafenbahn mit der Brandenburgischen Städtebahn vermieden werden mußte, machte sich die Anlage der Überführung über die neu trassierte Strecke und die Brandenburger Chaussee mit der noch heute existierenden und zum Wahrzeichen der Stadt avancierten Steinbogenbrücke erforderlich. Diese wurde jedoch erst 1918 kurz vor Kriegsende fertig. Die Hafenbahn war insgesamt 1,75 km lang, zuzüglich 450 m Nebengleise, und besaß acht Weichen. Ein Problem stellten stets die etwas steil geratenen und zudem teilweise im Gleisbogen liegenden Rampen der Brücke dar. Für den bedeutenden Arbeiterverkehr entstand an der Neubaustrecke der Bahnhof Premnitz Süd (heute Bedarfshaltepunkt) mit eigenem Bereitstellungsgleis. Von hier aus fuhren einst Direktzüge bis nach Berlin und Sachsen.

Nach dem Ersten Weltkrieg begann die Köln-Rottweil AG in Premnitz mit der Produktion von Kunstfaserstoffen. Der Konkurrenz der IG Farbenindustrie AG auf diesem Sektor war man jedoch nicht gewachsen. Nach der Übernahme durch den IG-Farbenkonzern per 10. Juli 1926 wurde der Premnitzer Hafen dorthin verlegt, wo noch heute die Passagierschiffe anlegen. Die zuvor vorhandene Spitzkehre entfiel dadurch. Ein kleinerer Portaldrehkran mit einer holzverkleideten Kanzel besorgte bis zur Betriebseinstellung der Hafenbahn die Be- und Entladearbeiten. Um 1970 wurde die Hafenbahn, bald darauf auch der Hafen stillgelegt, da mit dem Ausbau des Eisenbahnnetzes der langsame Wassertransport an Bedeutung verlor. Die Hafenbahn wurde zuletzt fast ausschließlich durch die LKM-Dampfspeicherlok des Kraftwerkes bedient. In lebhafter Erinnerung der Anwohner sind ihre nächtlichen, mehrfach vergeblichen Versuche, mit zu vielen Wagen die 1:47-Steigung vor der Städtebahn-Brücke zu bezwingen.

Die Werkbahn selbst bietet abgesehen von ihren Dimensionen wenig Interessantes. Die über 10 km langen Gleisanlagen führten früher bis tief in die Königsheide. Die vielen ungesicherten Bahnübergänge auf dem Werkgelände stellten besonders zum Schichtwechsel eine besondere Gefahrenquelle dar. Im Werk arbeiteten auf seinem Höhepunkt in den 1970er Jahren über 7.000 Menschen. 1962 erhielt der Ort, dessen Einwohnerzahl innerhalb eines halben Jahrhunderts von 650 auf fast 13.000 gestiegen war, das Stadtrecht.

Übergabebahnhof der Anschlußbahn war anfangs ausschließlich Premnitz Hbf, der 1933 verlegt und bedeutend erweitert wurde. Später baute man auch in östliche Richtung eine Paralleltrasse zur Brandenburgischen Städtebahn und schloß die Werkbahn an den Bahnhof Döberitz/Gapel und direkt an den Betriebsteil Gapel (Bleitetra-Werk) an. Bereits seit Mitte der 1930er Jahre kamen fast ausschließlich Diesellokomotiven in Premnitz zum Einsatz, anfangs vor allem von Deutz, später von LKM. Den IG Farben-Werken gehörten etwa 75 eigene Güterwagen, von denen vor dem Zweiten Weltkrieg stets etwa 20 offene Wagen zwecks Kohleanfuhr direkt bis Oberschlesien liefen.


© Karte: Reinhard Richter

12.11.2002-info/ stw/ Die Liste der IG-Farben nennt zu dem Werk:

13 km Gleislänge (1435mm Spurweite)
16 Weichen
2 Gleiswaagen
2 gefeuerte Lokomotiven
44 eigene Güterwagen (die auch auf der DRG verkehren durften)
22 Güterwagen für den Werksverkehr
8 Plattform- bzw. Muldenwage für den Werksverkehr
2 Handtransportwagen für den Werksverkehr

28.09.2002/ jm/ Das riesige Areal des einstigen VEB Chemiefaserwerk 'Friedrich Engels', Premnitz (früher IG Farben, ursprünglich Vereinigte Köln-Rottweiler AG), wird derzeit saniert und in einen Industriepark umgewandelt. Dabei werden auch neue Gleisanlagen verlegt bzw. die alten grundlegend erneuert. Während der südliche Teil weitgehend "bezugsfertig" erscheint, werden im nördlichen Teil noch die alten Gebäude eingeebnet. Hier findet man auch (noch) die Werkstatt mit dem Lokschuppen für die Werklokomotiven. Der ist allerdings leer, zumindest drei LKM V22B stehen derzeit in einem Werksgelände. Von aussen waren die Betriebnummern 1, 4 und 7 zu erkennen.

07.08.2003/ ms/ jm/ Neue Gleise, neue Straßen, aber die alten Lokomotiven wurden nicht mehr gefunden. Im ehem. Werk Süd bei der Siedlung Döberitz sitzt heute RWE Recycling/Umwelttechnik, hier ist keine Lok mehr vorhanden. Die Strecke zum Hafen bei Döberitz ist stillgelegt, im Hafen selbst sitzt jetzt die Rhenus AG. Lokomotiven sind hier keine.

28.12.2003-info/ rr/ In den letzten Jahren waren von den 1990 vorhandenen sechs Diesellokomotiven stets nur zwei einsatzfähig. Die anderen waren überwiegend durch Wasserschäden unbrauchbar. Die letzten vier LKM-Loks kamen Anfang 2003 unter den Schneidbrenner. Von diesem Zeitpunkt an bediente die Osthavellandische Eisenbahn AG den Standort Premnitz ein oder zweimal pro Woche mit eigenen Lokomotiven. Die Gleisanlagen wurden 2002 auf das eben nötige zurückgebaut. Das Werk selbst ist nur noch ein blasser Schatten seiner früheren Größe und beherbergt mehrere Kleinbetriebe. Der Bau eines angeblich hochmodernes Teppichrecyclingwerkes endete im Desaster, da die millionenteure Technik gar nicht funktionierte.

Hoffnungsvoll stimmt das Überleben der Brandenburgischen Städtebahn auf dem Abschnitt Brandenburg - Rathenow, die nach der Sanierung der Strecke 2004 in ihrem 100. Betriebsjahr Premnitz wieder mit den beiden bekannten märkischen Städten verbinden wird.

28.12.2003-info/ rr/ jm/ stw/ Die folgende Lokliste nennt die gefundenen Lieferungen für Premnitz. Der Größe des Werkes nach zu urteilen dürften hier noch einige weitere Fahrzeuge im Einsatz gewesen sein. Wie oben bereits gesagt, wurden die letzten vier Lokomotiven Anfang 2003 verschrottet. Die Bedienung erfolgt nun von der Osthavellandische Eisenbahn AG ein oder zweimal pro Woche mit eigenen Lokomotiven.

28.08.2004/ jr/ Bei den Brandenburger Fahrzeugwerken in Brandenburg stehen drei LKM V22 des ehemaligen Chemiefaserwerkes in Premnitz. Im einzelnen waren es Nummer 3, 4 und 7. Alle Maschinen hatten leider keine Fabrikschilder mehr, jedoch die Aufschriften, dass sie im Bhf Premnitz zugelassen seien. Bei einer der Maschinen war noch schwach die Aufschrift "VEB Chemiefaser..." zu lesen. Nummer 3 trug ein aufgeklebtes Schild "A bis Z Premnitzer Brandschutz GmbH". Die Lokomotiven sind daher entgegen der Annnahme oben nicht verschrottet worden. Nummer 7 trug auf der Treibstange als Schlagzahl 262.5.545, welche bisher der Fabriknummer der 1996 verschrotteten Nr. 2 zugeordnet wurde. Vermutlich hat die 7 die Treibstange der 2 erhalten.

12.09.2004/ rr/ Am 1. September 2004 wurde auch die letzte Lok (Nr. 1) im Schlepp nach Brandenburg abgefahren. Hier nun weitere Einzelheiten: Die Firma A-Z Premnitzer Brandschutz- und Dienstleistungs-GmbH wickelte ab 2002 den Betrieb auf der Premnitzer Industriebahn ab und war auch Besitzer der vier Loks, von denen jedoch nur eine (die mit dem Schild) vollständig betriebsfähig war. Da für alle Loks die HU anstand und das Unternehmen dazu finanziell nicht in der Lage war, verkaufte man die Loks zum Schrottpreis an die Firma ITB und wickelt den Schienenverkehr nun mit Unimog ab, was der Betriebsleiter als völlig ausreichend bei den wenigen Wagen pro Woche bezeichnet.

Die Bedienung des Bahnhofs Premnitz erfolgt wegen der Gleiserneuerung Rathenow - Premnitz bis vorraussichtlich Dezember über Brandenburg Altstadt. Die Bedienfahrten führt z.Zt. nicht die OHE, sondern die ITB durch. Da bei der ITB akuter Lokmangel herrscht, kaufte das Unternehmen die vier Premnitzer V22 (Lok 1, 3, 4 und 7). Sie stehen derzeit vor dem Stellwerk des ITB-Geländes. Aus den vier defekten sollen zwei Betriebsfähige Maschinen aufgebaut werden.


IG Farben AG: Die einstige Lok Nr. 2, Borsig FNr. 10895/1921, der Köln-Rottweil AG. (Foto: Sammlung Reinhard Richter)


VEB Chemiefaserwerk Friedrich Engels: Diese Aufnahme zeigt eine bislang unbekannte LKM N4 im Hafen von Premnitz. (Foto: Sammlung Reinhard Richter)


Märkische Faser AG: Die Nr. 4 (LKM 262021/1967) wurde Anfang 1968 zusammen mit der Nr. 3 geliefert, beide Maschinen wurden Anfang 2003 verschrottet. (Foto: Reinhard Richter)

 


© Reisebericht von Jens Merte
© Info von Dietmar Stresow
© Info von Reinhard Richter
© Info von Jochim Rosenthal