Bahn-Express

Borsig-Werke GmbH, 13507 Berlin-Tegel

.1982/ BE 1/83/ Gegen Ende 1981 erhielt die Firma Borsig eine neue Diesellokomotive. Geliefert wurde das Fahrzeug über die Gesellschaft “Energomaschexport” aus der UdSSR.

Bei der Überführung fuhr die Lok auf Breitspur bis zur tschechoslowakischen Grenze, wurde dort umgespurt und lief dann auf Normalspurgleisen bis Berlin.

Hier mussten erst erhebliche Umbauten vorgenommen werden, die sich bis Januar 1982 hinzogen. Das Umlaufblech reichte bis ursprünglich bis über Puffer und Kupplung und musste gekürzt werden, Haltestangen wurden neu angebracht und die Sandrohre der neuen Spurweite angepasst. Bei der Abnahme durch die Deutsche Reichsbahn, die sich über vier (!) Wochen hinzog, musste gemäß einer Forderung die auflackierte Nummer durch ein Eigentümerschild überdeckt werden.

Bemerkenswert sind, neben einem überdimensionalen Kompressor, einige Baumerkmale, die kennzeichnend für den Lokomotivbau der 50er Jahre waren: Antrieb über Blindwelle und Kuppelstange sowie hydromechanisches Wendegetriebe mit Zweistromkupplung. Für den Betrieb auf engen Gleisradien wurden die mittleren Radreifen spurkranzlos ausgeführt. Durch die neue Lokomotive wird eine der beiden vorhandenen Diesellokomotiven entbehrlich. Voraussichtlich wird die Lok 1 nach Italien verkauft, während die ältere Schwestermaschine Lok 3 als Lok 010 weiterhin bei Borsig bleiben wird.

Kommentar von Bernd Neddermeyer über die Berichterstattung in der “Berliner Morgenpost”:

“Für den Werksverkehr waren westliche Modelle nicht geeignet”, unter dieser Überschrift brachte die Berliner Morgenpost am 5. Januar 1982 einen Artikel über diese neue Borsig-Werkslokomotive. Neben anscheinend unvermeidlichen Anspielungen gegen die politisch ungeliebten Nachbarn - Zitat: ”die Eisenbahner von der Reichsbahn haben sich staunend die Augen gewischt. Jahrelang bemüht sich Ost-Berlin in Moskau um diese Lokomotiven und bekommt keine. Jetzt kommt eine an, und die müssen wir auch noch nach West-Berlin durchlassen.” - enthält der Artikel auch einige Unrichtigkeiten, die bei sorgfältigeren Recherchen hätten vermieden werden können, beispielsweise die Aussage, “moderne Loks westlicher Fabrikate wären wahrscheinlich nicht zu gebrauchen, ...sie haben zu große Kurvenradien.” Als “Lösung” wird dann eine Lokomotive mit 3600 mm Achsstand - dazu noch mit Stangenantrieb - gekauft. Aus technischer Sicht kann eine Aussage kaum unsinniger sein. Weiter heißt es: “ ..., denn unsere beiden anderen Loks sind überaltert.” Die beiden Werklokomotiven Nr. 1, Baujahr 1972 und Nr. 3, Baujahr 1966, haben gerade 10 bzw. 15 Dienstjahre erreicht und sind damit jünger als fast alle DB- und DR-Rangierlokomotiven. Der Grund für den Kauf der neuen Werklokomotive war einzig ein Kompensationsgeschäft für die umfangreichen Lieferungen von Borsig-Erzeugnissen in die UdSSR. Solche Kompensationsgeschäfte sind im Osthandel übliche Praxis. Es müsste dann auch nicht verschwiegen werden, daß die Lokomotive Baugrundsätze der 50er und teilweise der 40er Jahre aufweist, die sicheren Betrieb und lange Lebensdauer garantieren, für den Bahnbetrieb in der UdSSR bestimmt ein wesentlicher Faktor.

Was den Lokomotivbau in der DDR betrifft, ist man dort in Bezug auf Getriebehydraulik, Kurvenlauf und Motorenbau sicher fortschrittlicher und reibt sich garantiert nicht die Augen über ein Fahrzeug aus der UdSSR, das technisch kaum dem Stand einer Lokomotive der Baureihe 106 repräsentiert.

Das Anliegen des Artikels scheint lediglich Effekthascherei zu sein. Dass dabei die Fakten einer Überprüfung nicht standhalten, spielt keine Rolle mehr. Man sollte auf diese Art der Berichterstattung hinweisen, damit es nicht in einem späteren Artikel über die Borsig-Werkbahn heißt: Damals war der westliche Lokomotivbau nicht in der Lage, für die Gleisverhältnisse der Borsig’schen Werkbahn eine geeignete Lokomotive herzustellen.

Anmerkung der Redaktion:
Vom Gleisradius (40 m) sind folgende Lokomotivtypen für die Borsig-Werkbahn geeignet:

15.11.1988 (BE 1/83 -17-)/ BE 2/89/ BE 1/91/ Lok 1 (O&K 26748/1972) und Lok 3 (O&K 26606/1966) sollen nach einer Meldung in den Berliner Verkehrsblättern 1983 nach Lugano verkauft worden sein. Das trifft für 26748 nicht zu (diese ging an Bentler in Siegen-Weidenau). Die frühere Lok 3 ist aber in der Schweiz nachgewiesen, sie gehörte am Stichtag der Soc. des Ciments Portland de St. Maurice SA, St. Maurice/Wallis.

O.A./ BE 2/90/ Die beiden Diesellokomotiven des Typs TGM 23 aus sowjetischer Produktion, die an die Borsig-Werkbahn geliefert und nach Aufgabe des Bahnbetriebs an die Thyssen-Bandstahl Berlin übergeben wurden, gelangten als Kompensation für erbrachte Leistungen an die Deutsche Reichsbahn zur UfM Tempelhof. Hier konnte zumindest eine dieser recht schadanfälligen Lokomotiven wieder betriebsfähig hergerichtet werden. Nun steht ein Verkauf als Werklokomotiven in die DDR bevor.

Lokliste 1435 mm


11.12.2004/ jr/ Die zumindest in 3/1997 hier abgestellten Lokomotiven von Kaluga und eine Dampfspeicherlok von Meiningen stehen zumindest nicht mehr an ihrem früheren Standort gegenüber des Parkplatzes. Nach der Auskunft des Pförtners, der sichtlich bemüht war, alle Fragen zu beantworten, sind auch keine Lokomotiven mehr im Gelände abgestellt. Der Verbleib ist damit unbekannt.

 


Lit.: BE 1/83, BE 2/89, BE 1/91, DS 95, DS 112, R 4&5/82

© BE 1/1983
© BE 2/1989
© BE 2/1990
© Reisebericht von Jochim Rosenthal